Die Renaissance des Wasserrades



Das Wasserrad war über Jahrhunderte hinweg die wichtigste Arbeitsmaschine der Menschheit. Allein in Deutschland waren über 100.000 Wasserräder an Getreidemühlen, Sägewerken, Hämmern und in mehr als hundert weiteren Handwerksbetrieben im Einsatz.

Mit dem Aufkommen der Turbinen und der elektrischen Generatoren tat die Wasserkraft den Schritt von der direkten mechanischen Nutzung zur anteiligen Energieversorgung in länderübergreifenden Verbundnetzen. Mit der Turbine konnten Wasserkraftpotentiale erschlossen werden, die aufgrund der Wassermengen und Fallhöhen dem Wasserrad nicht zugeführt werden konnten. Man denke an die großen Laufwasserkraftwerke an den Flüssen, die Mitteldruckanlagen an Talsperren oder die Hochdruckanlagen im Gebirge.

Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts stößt der Ausbau der Wasserkraft im Mega-Watt Bereich nunmehr an seine natürlichen Grenzen. Die vorhandenen Potentiale sind zumindest in Deutschland weitestgehend erschlossen oder Ihr weiterer Ausbau findet keine gesellschaftliche Akzeptanz.

Auffällig ist , das die Zahl der Wasserkraftanlagen sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts um den Faktor 10 verringert hat. Nur rund 8.000 Turbinenanlagen decken heute ca. 5% des deutschen Strombedarfs. Vergleicht man diese Zahl mit den einst 100.000 Wassermühlen so wird deutlich, das die meisten ehemaligen Wasserkraftstandorte nicht auf Turbinenanlagen umgerüstet wurden, sondern brachgefallen sind. So hatte beispielsweise die für Ihre Messer und Klingen bekannte Stadt Solingen früher über 120 Schleifkotten, heute kann man die Zahl der Wasserkraftanlagen an einer Hand abzählen.

Die Gründe hierfür liegen überwiegend im politisch-rechtlichen Bereich . Die Umrüstung eines Standortes von mechanischer Nutzung auf Stromerzeugung wurde in der Vergangenheit vielfach als durch ein vorhandenes Altrecht nicht abgedeckt angesehen. Eine auf Entzug alter Wasserrechte ausgerichtete Gewässerpolitik im Verbund mit einer auf Versorgung durch Großkraftwerke abzielenden Energiepolitik blockierten die Umrüstung alter Wassermühlen zu privaten Kleinstkraftwerken im Netzparallelbetrieb. Während auf der Energieseite dank des Stromeinspeisegesetzes eine Neuorientierung erfolgte ist auf der Seite der Wasser­wirtschaftsämter eine Lockerung restriktiver Gesetzesauslegung noch eher die Ausnahme.

Daneben gab es aber auch technische Schwierigkeiten bei der Umrüstung speziell von Wasserrädern auf Stromerzeugung. Die niedrige Drehzahl des Wasserrades bei extrem hohen Drehmomenten muss auf übliche Generatordrehzahlen transferiert werden, d.h. eine Übersetzung von etwa 1:100 ins Schnelle ist erforderlich. Dies war mit Riementrieben allein nicht zu bewältigen. In der Eingangsstufe waren große Zahnradgetriebe erforderlich, insgesamt mußte die Drehzahl über mindestens drei Stufen hochtransformiert werden. Hier hatte die Turbine durch die vergleichsweise hohe Drehzahl bei entsprechend niedrigerem Drehmoment zunächst bauartbedingte Vorteile.

Aber auch das Wasserrad kann seinerseits gegenüber der Turbine Vorteile verbuchen: So ist es äußerst robust und weitgehend unempfindlich gegenüber Gewässerverunreinigung. Insbesondere die Bauart des oberschlächtigen Wasserrades bedarf nicht einmal eines Rechens, auch entfällt die aktive Wasserstandsregulierung. Der Wirkungsgrad insbesondere im Teillastbereich ist unübertroffen hoch sofern man Wasserrad und Turbine gleicher Leistung miteinander vergleicht und nicht wie leider oft geschehen ein 5 kW Wasserrad einer 500 kW Turbine gegenüberstellt. Auch die Öko-Bilanz spricht eindeutig für das Wasserrad. Aufgrund seiner niedrigen Drehzahl ist eine Verletzungsgefahr für Fische ausgeschlossen, die biologische Durchgängigkeit der Gewässer bleibt in der Regel gewahrt.

Bleibt die Frage warum die Turbine nach wie vor den Regelfall im Wasserkraftanlagenbau darstellt und das Wasserrad eher als Nischenprodukt anzusehen ist. Für die Vergangenheit ist die Antwort sicher in der mangelnden wirtschaftlichen Attraktivität des Kleinstleistungsbereich zu suchen. Technisch hat das Wasserrad inzwischen deutlich aufgeholt. Mit modernen Planetengetrieben sind die Drehmomente eines Wasserrades beherrschbar, eine Übersetzung von 1:100 bei Wirkungsgraden von über 90% kein technisches Problem mehr. Auch die Fertigungstechnik ist nicht bei Zimmermannsarbeit stehengeblieben. Nichtrostendes Metall wie Edelstahl oder seewasserfeste Aluminiumlegierungen sind ebenso Standard wie CNC-gesteuerte Blechbearbeitung.

Hinsichtlich der Marktanteile von Turbine und Wasserrad werden derzeit die Karten neu gemischt, nachdem die "Filetstücke" der Wasserkraftstandorte längst vergeben sind und sich die Aufmerksamkeit nun dem noch verbleibenden Potential zuwendet. Dies sind insbesondere die alten Mühlenstandorte mit Einzelleistungen von oft nur 10 kW und darunter. Hier hat das Wasserrad seinen angestammten Platz und es spricht alles dafür dass es sich ihn im 21. Jahrhundert zurückerobern wird.



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